Die paar Gramm mehr

Der Winter war mal wieder viel zu lang. Es kribbelt, ich möchte endlich auf das Wasser und segeln.

Heute scheint mir ein guter Tag für den Saisonstart zu sein. Leicht bewölkter Himmel und Wind zwischen 4 und 5 Boúefort. Ich bin heute alleine unterwegs, da Gabi arbeiten muss.

Im Winter haben wir uns noch ein Kenterkissen für den Mast zugelegt. Es funktioniert wie eine Automatikrettungsweste und wird am Masttop befestigt. Dieses Kenterkissen soll verhindern, dass der Mast bei einer Kenterung gleich durchkentert. Bei einem normalen Katamaran passiert die Durchkenterung nicht so schnell wie bei uns. Das liegt daran, dass der Mast von einem Festrumpf Katamaran in der Regel einteilig ist und oben wie unten durch Kunststoffbuchsen verschlossen wird. Dadurch hat der Mast bei einer Kenterung genügend Auftrieb. Unser Mast hingegen besteht aus vier Teilen, welche zusammengesteckt werden. Dies rührt daher, dass die Länge der Packsäcke vom Hersteller bewusst auf zwei Meter begrenzt wurden.

Kentersicherung am Mast hat ausgelöst nach einer Kenterung
Kentersicherung am Mast hat ausgelöst nach einer Kenterung

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ist mein persönliches Kampfgewicht nicht sehr hoch. Dies hat zwei Dinge zur Folge.

Erstens: Ich kann schneller kentern wenn eine Windbö mich überrascht.

Zweitens: Ich bekomme den Katamaran nicht aufgerichtet, wenn er durchgekentert ist.

Liegt der Mast hingegen auf der Wasseroberfläche schaffe ich es recht schnell den Katamaran wieder aufzurichten. Natürlich hat jede Medaille zwei Seiten. Die zweite Seite dieser Medaille ist, dass das Trampolin wie ein Segel wirkt wenn der Mast nicht durchkentert. Es sind gut vier Quadratmeter. Somit darf ich den Kontakt zum Katamaran bei einer Kenterung nicht verlieren. Es ist immer ein Abwägungsprozess für was man sich entscheidet. Ich habe mich für das Kenterkissen entschieden und weiß um die Nachteile. Ich glaube das dies  entscheidend ist.

Am Plöner See angekommen, beginne ich mit dem Aufbau unseres Schlauchcatamarans. Heute am Donnerstag Morgen stört mich keiner. Es ist gerade einmal 10:00 Uhr morgens und noch recht frisch. Wind aus West mit einer Stärke von 4-5 Bouefort und blauer Himmel. Das Trampolin und die Rümpfe sind schnell aufgebaut. Für das Aufpumpen beider Rümpfe benötige ich ca. 15 Minuten mit einer Handpumpe. Danach ist mir schön warm und ich kann den Mast zusammenstecken. Ich habe schon einmal die Kentersicherung am Masttop befestigt. Mit etwas Übung gelingt es mir in der Regel den Mast aufzustellen. Auch wenn dieser sechs Meter lange Aluspargel mit seinen ganzen Leinen und Wanten recht unhandlich für eine Person ist. Die Länge ist das Problem nicht das Gewicht des Mastes.

Aber heute entwickelt mein Mast wirklich ein Eigenleben.

In diese Tasche passt der ganze Mast. Die Tasche ist 1,85 Meter lang
In diese Tasche passt der ganze Mast. Die Tasche ist 1,85 Meter lang

Es will mir einfach nicht gelingen diesen "blöden" Mast aufzustellen. Eine Streifenwagenbesatzung beobachtet mein Treiben aus ihrem beheiztem Fahrzeug heraus. Ich kann förmlich hören wie sie Wetten abschließen, ob ich es schaffe den Mast zu stellen.

Schließlich gebe ich auf!

Es kann nur an den paar Gramm liegen die die Kentersicherung am Masttop mit sich bringen. Sonst ist es mir immer gelungen den Mast zu stellen.

Ich entschließe mich die Kentersicherung erst einmal abzubauen und diese im Anschluss wenn der Mast gestellt ist wieder anzubauen.

Um die Kentersicherung wieder an den Masttop zu bekommen muss ich den Katamaran mit gestelltem Mast an Land auf die Seite legen. Gedacht getan. Siehe da, ohne Kentersicherung lässt sich der Mast ganz einfach stellen. Scheinbar fehlen mir ein paar Körner in der Oberarmhydraulik. Gut,  dies gleichen wir jetzt durch Überlegen aus. Im Anschluss lege ich den Kat auf die Seite und bringe die Kentersicherung wieder am Masttop an. Da ich mich hier auf der Wiese alleine befinde kann ich den Kat ohne weiteres auf die Seite legen. Meiner Polizeieskorte wird es nun zu langweilig und sie ziehen von dannen.

Wie schon erwähnt ist es heute recht frisch und ich befinde mich alleine auf dem See, wer hat schon Zeit unter der Woche segeln zu gehen. Dies bedeutet für mich,  dass ich entsprechende Sicherheitskleidung tragen muss. So ziehe ich über meine normale Outdoorkleidung einen Fließoverall an. Darüber kommt mein Trockenanzug. Ich sehe jetzt schon aus wie bei einer Marsexpedition. Nun noch die Trapezhose und die Schwimmweste. Jetzt komme ich mir vor wie ein Michelin-Männchen. Jetzt einmal in die Hocke gehen mit der Hand den Latexkragen vorsichtig vom Hals abhalten und die Luft aus dem Anzug drücken. Schon sieht die Figur wieder einigermaßen aus. Die Luft muss aus dem Anzug, da es sonst passieren kann, dass  sich die Luft im Anzug bei einer Kenterung in den Beinen sammelt und man Kopfüber unter Wasser treibt. Dies ist auch nicht so schön. Da sind wir wieder bei der Medaille mit den zwei Seiten. Es sind zwei Dinge beim Tragen eines Trockenanzuges zu beachten. Nach dem Anziehen muss die eingeschlossene Luft aus dem Anzug und man sollte immer eine Schwimmweste tragen. Diese verhindert nämlich, dass die verbleibende Restluft, und das ist nicht wenig, diesen gefährlichen Bojeneffekt erzeugen kann. 

Nun noch Handschuhe und Mütze auf  und los geht es..

Einige werden sich jetzt wundern, dass ich eine Trapezhose trage, wo ich doch gar nicht mit diesem Katamaran auf einem Schwimmer fahren kann. Mit Hilfe dieser Trapezhose kann ich ein wenig mein zu geringes Gewicht weiter außenbords hängen und so das Gegengewicht zum Winddruck erhöhen. Ein 100 kg Segler bräuchte diese Maßnahme wohl eher nicht. Gleiches gilt für das Aufrichten nach einer Kenterung. Hier kann ich die Aufrichtleine in den Trapezhaken einhängen und mich mit dem ganzen Gewicht reinhängen und schone so meine Hände.

 

Es ist herrlich den Wind dieses Jahr das erste mal auf dem Wasser zu spüren und zu fühlen, wenn der Katamaran Fahrt aufnimmt. Ich benötige jedes Mal zum Saisonauftagt einige Segeltouren, um ein Gefühl für den Kat zu entwickeln.

Sobald wir die Landabdeckung verlassen bläst der Wind ordentlich in die Segel. Der Wilde Ritt beginnt. Bei diesen Windstärken und der Windrichtung bilden sich in dieser Ecke des Sees schnell kurze Wellen mit einer Höhe bis 50 cm. Hört sich nicht viel an ist aber recht ordentlich, wenn man mit dem Hintern fast auf Höhe der Wasseroberfläche sitzt. Wenn eine 5er Bö einfällt bilden sich kleine weiße Katzenköpfe auf den Wellenkämmen. Mein Kat und ich zischen mit über 20 km /h über die Wellenkämme. Ich habe gut zu tun, bei diesen Windverhältnissen fahre ich die Großschot aus der Hand. Mit den Füßen hänge ich unter den Fußschlaufen auf dem Trampolin und mit der Trapezhose im Trapezhaken. Trotzdem sind die Bauchmuskeln gefragt. Bei der Großschot würde ich mir eine Übersetzung mehr wünschen. Zur Zeit ist es sehr kraftraubend die Großschot aus der Hand zu fahren.

Die Wenden sind eine kleine Herausforderung ich benötige etwas ruhigeres Wasser, um beide Rümpfe sauber durch den Wind zu bekommen. Ein Katamaran fährt eine Wende nicht so wie eine Jolle. Somit bin ich ziemlich dicht unter Land, wenn ich die Wende fahre und habe in der Regel nur zwei Versuche bevor ich am Ufer hänge.

Wellen beobachten, aus dem Trapez ausklinken Großschot auffieren, aus den Fußschlaufen raus, Ruder legen. Warten bis das Großsegel rüberkommt .Erst jetzt die Fock lösen und unter Getöse die Fock rüberholen, Sitzposition auf die andere Seite verlegen. Sofort nimmt der Katamaran wieder Fahrt auf. Es bleibt kaum Zeit sich in das Trapez einzuhängen und die Füße wieder unter die Fußschlaufen zu bekommen. Großschot dicht holen und sich ins Trapez hängen. Ab geht die Rauschefahrt. Man merkt richtig wie sich der Katamaran streckt und über und auch durch die Wellen schießt.

Hier bin ich in meinem Trockenanzug, an Deck die Fußschlaufen
Hier bin ich in meinem Trockenanzug, an Deck die Fußschlaufen

Die Gischt von den Rümpfen fliegt über mich. Ich habe das Gefühl, das ich mich manchmal mehr unter wie über Wasser befinde. Eine Taucherausrüstung wäre heute eine echte Alternative gewesen. Da ich manchmal wirklich im Blindflug durch die Wellen schieße bin ich froh das heute Keiner auf dem See ist.  Das ist Sport pur aber auch anstrengend! Es kostet richtig Kraft und Ausdauer. Dies hier hat nichts mit dem Segeln auf einer Yacht zu tun. Hier geht die Post ab. Es ist berauschend wie wir beide, mein kleiner Katamaran und ich über die Wellen schießen. Er bekommt auch ein paar Streicheleinheiten von mir, da ich mich über die Leistung von meinem Katamaran  sehr freue. Ich glaube solche Momente kennt jeder Segler, egal wie groß oder klein sein Boot ist.

Nach gut einer Stunde merke ich wie mir die Kräfte schwinden und auch langsam die Kälte in meinen Anzug klettert. Der Windchillfaktor ist an solchen Tagen wie heute nicht zu unterschätzen. Der Windchillfaktor beschreibt in groben Zügen die Differenz von der tatsächlichen Temperatur zur gefühlten Temperatur. Ich suche ja den Wind, bin dazu noch permanent nass so dass sich Verdunstungskälte auf meinem Anzug bildet. Gefühlte Temperatur um die 2^C.

Es ist an der Zeit zum Ausgangspunkt zurück zu kehren.

Das Etmal war heute nicht so doll nur ca. 10 km . Dafür eine maximal Geschwindigkeit von 20 km/h und das zum Saisonauftagt nicht schlecht!

Ich trage ein kleines GPS Gerät bei mir, welches wasserdicht ist. So kann ich recht gut mein Etmal und die Max Geschwindigkeit ermitteln.

Der Abbau und das Verladen des Katamarans in den PKW geht recht flott von der Hand. Trotzdem ist es nervig wenn man völlig kaputt ist und lieber einen heißen Kaffee trinken würde noch das Boot abzubauen. Es wäre schön wenn wir den Kat fest stationieren könnten. Diesen Gedanken muss ich mit Gabi besprechen.

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